FDP fit for 2030: Alles lässt sich ändern

Der Landesparteitag hat beschlossen:

Alles lässt sich ändern. Diesem Anspruch, den wir an das Land und seine Politik
 stellen, müssen auch wir als Partei auf Landes- und Bundesebene gerecht werden.

 Der organisierte Liberalismus in Deutschland befindet sich am Scheideweg. 2017
 als moderne Partei der Aufbruchsstimmung neu gestartet, erfolgt jetzt die
 Bruchlandung. 2021 als Bürgerrechtspartei während der Corona-Pandemie mit einem
 ganzheitlich liberalen Profil zur Regierungsbeteiligung beauftragt, folgt bei
 der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 mit 4,33 Prozent das schlechteste
 Ergebnis der Parteigeschichte und ein klares Wählervotum gegen eine FDP, der in
 keinem relevanten Politikfeld Kompetenz und Vertrauen zugestanden wird.

 Wie bereits 2013 bedarf es daher einer ausführlichen und ehrlichen Fehleranalyse
 sowie personeller, struktureller und kommunikativer Konsequenzen. Im Fokus
 stehen das Regierungshandeln der FDP in der „Fortschrittskoalition“ und der
 Bundestagswahlkampf 2025. Doch die Krise reicht tiefer: Die katastrophalen
 Ergebnisse bei Landtagswahlen – bei denen SPD/Grüne immerhin einzelne (Achtungs-
 )Erfolge feiern konnten und vor allem die FDP stets heftige Pleiten erlebt hat –
 zeigen, dass der Liberalismus insgesamt unter Druck steht. Die Jahre 2024/25
 sind nicht der Ursprung, sondern der Höhepunkt einer jahrelangen Fehlerkette.

 Einzelne Fehlentscheidungen, die im politischen Tagesgeschäft oft unbemerkt
 blieben, haben sich zu einer Dynamik entwickelt, die die FDP aus dem Bundestag
 gefegt hat.

 Doch anders als 2013 haben wir dieses Mal ein Grundgerüst zur Orientierung:
 unser Leitbild.
 Wir können und sollten auf dieses Leitbild aus der Zeit der
 ersten außerparlamentarischen Opposition aufbauen. Die FDP muss unser Leitbild
 auffrischen, verstetigen und zu einem überzeugenden liberalen, seriösen und
 lösungsorientierten Auftreten zurückfinden. Nur so können wir wieder als die
 Partei wahrgenommen werden, die wir unserem eigenen Anspruch nach sein wollen:
 Eine Partei, die für Eigenverantwortung, Zukunftsoptimismus und das Versprechen
 einer besseren Zukunft steht.

 Erforderlich ist hierfür eine kollektive Kraftanstrengung. Gelingt uns diese
 nicht, könnte im Jahr 2029 der vollständige Schiffbruch des organisierten
 Liberalismus in Deutschland drohen. Ein Szenario, welches wir nicht hinnehmen
 wollen. Ein Szenario, welches wir nicht hinnehmen dürfen. Aus Liebe für die
 Freiheit.

 Die Zeit ist jetzt gekommen, um die FDP aus dem politischen Abseits zurück in
 die Mitte aller deutschen Parlamente zu führen.

  Erste Reformvorschläge für einen schlagkräftigen organisierten politischen
 Liberalismus der Zukunft

  1.  Reformvorschläge für die Bundes-FDP

 Start- und Fixpunkt aller Reformbemühungen der FDP ist zwangsläufig die Bundes-
 FDP. Sie ist das Gesicht des Liberalismus für die breite Öffentlichkeit.
 Einzelne Landesverbände kommen kaum gegen eine negative Grundstimmung der
 Bundes-FDP an. Gleichzeitig braucht die Bundes-FDP jedoch erfolgreiche
 Wahlergebnisse einzelner Landesverbände für das notwendige Momentum bei der
 kommenden Bundestagswahl. Es muss schon deshalb das Anliegen aller
 freiheitsliebenden Menschen in Deutschland - ganz gleich, aus welchem
 Landesverband sie auch kommen mögen - sein, für eine starke Bundes-FDP zu
 sorgen.

 Die FDP hat in jüngster Vergangenheit zentrale Zielgruppen – insbesondere
 Frauen, Ostdeutsche, junge Menschen sowie moderne, urbane und international
 orientierte Milieus – personell und inhaltlich vernachlässigt. Ursachen dafür
 sind eine ambivalente Positionierung bei gesellschaftspolitischen Kernthemen,
 eine unzureichende Repräsentation dieser Gruppen in Führungspositionen sowie ein
 Profil, das kaum mit deren Lebensrealitäten übereinstimmt. Um breitere
 Wählerschichten anzusprechen, muss sich die FDP inhaltlich öffnen und personell
 vielfältiger aufstellen.

  1.  Strukturelle/Personelle Reformvorschläge

 Reformbedarf: Die Gründe für die verheerende Wahlniederlage mögen vielfältig
 sein, als einer der Gründe kann allerdings die starke Fokussierung auf eine
 Einzelperson ausgemacht werden. Sollte im Rahmen einer (sehr großzügigen)
 Betrachtung eine Fokussierung auf die erweiterte Führungsspitze diagnostiziert
 werden, fällt auf, dass selbst diese Analyse nicht darum umher käme, dem
 erweiterten Führungspersonal eine arg geringe Diversität zu diagnostizieren. So
 liegt ein zentraler Grund für unterdurchschnittlichen Ergebnisse der FDP bei
 Wählerinnen generell sowie Wählerinnen und Wählern in Ostdeutschland auch in der
 fehlenden personellen Repräsentanz dieser Gruppen in der FDP und, damit
 einhergehend, fehlender Präsenz in der Außenwahrnehmung der FDP begründet. (zur
 ausführlichen Analyse, s. Kap. II)

 Lösung: Die FDP Niedersachsen ist der Meinung, dass folgende Maßnahmen geeignet
 sind, um mehr Parteimitglieder in der Öffentlichkeit zu platzieren und so eine
 möglichst große (programmatische) Vielfalt der Partei abzubilden und eine breite
 Bevölkerungsschicht zu repräsentieren. Unser Ziel muss sein: Mehr Breite in der
 Spitze.

  •  Trennung von Partei- und Regierungsamt: Sofern künftige Bundesvorsitzende
     oder Generalsekretäre als Minister/Ministerin Mitglied der Bundesregierung
     werden, so müssen sie zum nächsten ordentlichen Bundesparteitag der FDP
     zurücktreten und die entsprechenden Posten neu gewählt werden.
  •  Trennung von Parteivorsitz und Fraktionsämtern in der Bundestagsfraktion:
     Parteivorsitz und Fraktionsämter (Fraktionsvorsitz, stellvertretender
     Fraktionsvorsitz, parlamentarische Geschäftsführung) sollen getrennt werden
     – unabhängig davon, ob die FDP in der Regierung oder Opposition ist.
  •  Einführung einer fakultativen Doppelspitze: Sowohl der Parteivorsitz als
     auch der Fraktionsvorsitz können künftig als Doppelspitze besetzt werden.
     Bewerbungen sollen in einem solchen Fall als Zweier-Teams erfolgen, um
     Abstimmungsprobleme zu vermeiden. Die Co-Vorsitzenden der Doppelspitze
     sollten idealerweise geschlechterparitätisch sein und aus unterschiedlichen
     Landesverbänden stammen, dies ist jedoch keine Pflicht. Einzelkandidaturen
     bleiben möglich.
  •  Geschlechterparität: Die FDP Niedersachsen befürwortet eine langfristig
     paritätische Besetzung des FDP-Bundesvorstands und Präsidiums. Auf eine
     entsprechende Besetzung mit weiblichem Führungspersonal soll in Zukunft
     besonders geachtet werden.
  •  Vergüteter Parteivorsitz: Ein erfolgreicher Vorsitz in der APO-Zeit kann
     nicht ehrenamtlich ausgeführt werden. Um die FDP strategisch aufzustellen
     und konkurrenzfähig zu halten, sollte dieses Amt, sofern es nicht von
     hauptamtlichen Mandatsträgern besetzt wird, angemessen vergütet werden. Nur
     so kann sichergestellt werden, dass der Vorsitzende über die nötigen
     Ressourcen verfügt, um die Partei nachhaltig zu führen und für den
     Bundestag konkurrenzfähig zu machen.
  •  Mitgliedschaft ab 14 Jahren: Viele Mitglieder der Jungen Liberalen
     engagieren sich bereits ab dem Alter von 14 Jahren für die FDP und sind
     insbesondere im Wahlkampf und in der programmatischen Gestaltung eine
     Bereicherung. Daher soll eine Mitgliedschaft in der FDP bereits ab 14
     Jahren möglich sein. Die Mitgliedschaft für 14- bis 16-jährige soll
     grundsätzlich kostenfrei sein.
  •  Externe Stimmen berücksichtigen: Die FDP sollte nicht nur interne
     Strukturen, sondern auch Wählerperspektiven stärker einbeziehen. Ein
     Mechanismus zur Evaluierung externer Stimmen könnte helfen, die
     Parteiführung strategisch besser auszurichten. Auf diese Weise könnte
     sichergestellt werden, dass die Partei nicht nur intern repräsentiert ist,
     sondern auch extern auf die breite Wählerschaft ausgerichtet bleibt.
  •  Politische Influencer: Die „öffentliche Meinung“ wird zunehmend von
     Influencern geprägt. Menschen, die außerhalb von Parteiämtern und Mandaten
     in den sozialen Medien für liberale Themen werben, haben sich zu einem
     wahlentscheidenden Faktor entwickelt – insbesondere die Linkspartei hat
     hiervon stark profitiert. Um auch in der außerparlamentarischen Opposition
     (APO) sichtbar und relevant zu bleiben, muss ein zukünftiger Bundesvorstand
     proaktiv den Kontakt zu reichweitenstarken Influencern suchen und sie
     gezielt in exklusive Formate einbinden. Denkbar wären hier etwa Content-
     Collabs, Creator-Stipendien, „Liberal Voices“-Events oder die Co-Creation
     von Kampagnen.
  1.  Inhaltliche Reformvorschläge

 Reformbedarf: Die FDP hat zuletzt durch eine starke thematische Verengung und
 widersprüchliche Positionierungen erheblich an Kontur verloren. Statt
 überzeugende liberale Alternativen beim Klimaschutz, in der Europapolitik oder
 in gesellschaftspolitischen Fragen klar zu kommunizieren, dominierte die
 Wahrnehmung der Partei als monothematischer „Bremsklotz“ mit konservativer
 Ausrichtung. Dabei wurden gerade zukunftsweisende Themen wie Digitalisierung,
 Aufstiegschancen für junge Menschen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
 soziale Gerechtigkeit, eine liberale Drogenpolitik oder Selbstbestimmung queerer
 Menschen vernachlässigt, wodurch die FDP letztlich in einer Positionierung
 gefangen blieb, die zwischen Union und AfD liegt und durch ein entgegenstehendes
 Leitbild langfristig kein Potenzial für nachhaltige liberale Politik bietet. 
 (zur ausführlichen Analyse, s. Kap. II)

 Lösung: Im Ausgangspunkt ist es unerlässlich, dass getroffene Beschlüsse
 unumstößlich vom zukünftigen Bundesvorstand berücksichtigt werden müssen. Dies
 gilt für den Kommunikationsstil, vor allem aber auch die programmatische
 Beschlusslage. Ziel für unsere Beschlusslage ist die Abkehr von der zuletzt
 wahrgenommenen inhaltlichen Verengung. In anderen Worten: Mehr programmatische
 Breite – ein ganzheitlicher Liberalismus
.

  •  Keine Zusammenarbeit oder Kooperation mit der AfD: Die FDP steht für
     Freiheit und Weltoffenheit - Werte, die die in relevanten Teilen
     rechtsextreme AfD konsequent verachtet. Die AfD möchte abschaffen, wofür
     Liberale stehen. Es muss daher eine klare Haltung der Freien Demokraten
     sein, dass es zu keinem Zeitpunkt eine Königsmacherrolle der AfD geben
     soll, mit der diese Partei in unserem Land realpolitische Veränderungen
     bewirken oder Entschließungsanträge verabschieden kann. Ebenfalls darf die
     AfD mit ihren angekündigten Zustimmungen zu Forderungen der FDP keinen
     Einfluss auf unsere inhaltliche Position haben. Wir werden unsere
     Überzeugungen unabhängig von dem Verhalten der AfD vertreten. Zu dieser
     Überzeugung gehört, dass wir keine Mehrheiten mit der AfD suchen oder
     darauf bauen.
  •  “Einigkeitsthemen” im Wahlkampf in den Vordergrund stellen: Die
     Bundestagswahlen 2017 und 2021 zeigen, dass Themen wie Bildung,
     Digitalisierung, Aktienrente und Steuerentlastung das gesamte liberale
     Spektrum vereinen. Diese sollten im Wahlkampf im Mittelpunkt stehen, um
     Geschlossenheit zu demonstrieren. Die Bundestagswahl 2025 dient insoweit
     als Negativbeispiel dafür, dass sich die FDP bei entscheidenden
     Wahlkampfthemen zunächst innerparteilich einig werden sollte, bevor man mit
     innerparteilich-kontroversen Themen zerstritten an die Öffentlichkeit geht.
  •  “Modernisierungsthemen” wie Bildung und Digitalisierung wieder
     priorisieren: 
    Die Bundestagswahl 2017 zeigt, dass die FDP auch deshalb
     gewählt wird, wenn sie glaubwürdig für eine Modernisierung unseres Landes
     einsteht, beispielsweise in den Bereichen Digitalisierung und Bildung. Es
     ist sinnvoll, dass die FDP beim Eintritt in eine Regierung dann auch die
     entsprechenden Schwerpunktressorts besetzt. Gleichzeitig dürfen diese
     Themen dann weder inhaltlich noch kommunikativ untergehen, sondern müssen
     prioritär bespielt und dabei auf die eigenen Erfolge verwiesen werden.
  •  Keine inhaltlichen Schnellschüsse entgegen unserer Grundüberzeugungen:
     Inhaltliche Schnellschlüsse, mit denen kurzfristig verzweifelt auf
     spezielle Wählergruppen geschielt wird, langfristig jedoch der
     Glaubwürdigkeit schaden oder den liberalen Prinzipien widersprechen, sind
     zu vermeiden. Dazu zählen etwa Flatrate-Parken (widerspricht
     Subventionsabbau), Grenzkontrollen in der EU (widerspricht Schengen und
     einer liberalen europäischen Ausrichtung) oder Kryptowährungen in der
     Währungsreserve (widerspricht dem Sachverstand auch uns wohlgesonnener
     Ökonomen).
  •  Kompromissfähigkeit statt rigider Standpunkte: Als Lehre aus der
     gescheiterten Regierungsbeteiligung muss eine liberale Partei künftig
     kompromiss- und dialogfähig bleiben, um mit demokratischen Mitbewerbern
     zusammenzuarbeiten. Rote Linien führen zu kommunikativen Sackgassen und
     sollten - unter Wahrung eigener Kernanliegen - im Regelfall vermieden
     werden.
  •  Programmatische Innovation in der Breite
  •  Eine zentrale Lehre aus dem Bundestagswahlkampf und den
     migrationspolitischen Forderungen der FDP ist der erkennbare Mangel an
     innovativen und einzigartigen Ideen, die als klares Alleinstellungsmerkmal
     der Freien Demokraten dienen. Um in Zukunft stärker und profilierter
     aufzutreten, brauchen wir eine Beschlusslage, die in der gesamten Breite
     politischer Themen – von Entwicklungs- bis Kulturpolitik – mutige und
     originelle Konzepte bietet. Diese Ideen müssen von einer zukünftigen
     Parteispitze entschlossen nach außen getragen und im Wahlkampf sichtbar
     gemacht werden.
  1.  Wir gehen voran: Reformen der FDP Niedersachsen

 Die FDP Niedersachsen muss der Motor des Erneuerungsprozesses im Bund sein. Für
 diese Aufgabe muss sich die FDP Niedersachsen jedoch entsprechend aufstellen und
 zunächst die eigenen “Hausaufgaben” erledigen. Der notwendige
 Gestaltungsanspruch auf Bundesebene fängt mit zwingenden Veränderungen des
 eigenen Verbands an.

  •  Parität statt Quote: Analog zur Bundesebene gilt auch hier: Die FDP
     Niedersachsen lehnt feste Quoten ab, strebt aber langfristig eine
     paritätische Besetzung ihres Landesvorstands an. Die FDP Niedersachsen
     achtet bei künftigen Wahlen daher besonders auf eine Hinarbeitung zur
     Parität.
  •  Familienfreundliche Parteiarbeit: Mehr digitale Formate, klare und
     verlässliche Sitzungszeiten und flexible Beteiligungsmöglichkeiten sollen
     die Vereinbarkeit mit dem Familienleben verbessern und so allen Mitgliedern
     eine Partizipation ermöglichen.
  •  Mentoring & Netzwerke: Jede:r profitiert von einem starken Netzwerk. Man
     braucht Menschen, die in die Parteiarbeit einführen, Abläufe erklären und
     implizites Wissen weitergeben. Aus diesem Gedanken heraus könnte ein
     Mentoringprogramm auf Landesebene aufgebaut werden. Teil davon könnten auch
     gezielte Netzwerkveranstaltungen für Frauen sein.
  •  Schnuppermitgliedschaft: Nicht jede:r möchte sich durch eine feste
     Mitgliedschaft gleich langfristig an eine Partei binden. Eine
     Schnuppermitgliedschaft kann Interessent:innen erste Einblicke in die
     Arbeit der FDP Niedersachsen und ihre Beteiligungsmöglichkeiten bieten. Zur
     Absenkung der Hemmschwelle soll sie grundsätzlich befristet und von
     Mitgliedsbeitreiträgen befreit sein. Die Mitgliedschaft für 14- bis 16-
     jährige soll grundsätzlich kostenfrei sein.
  •  Flexible Mitgliedschaften: Viele Menschen möchten sich nur in bestimmten
     Teilen oder hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte in einer Partei
     engagieren. Dies könnte ihnen zukünftig in der FDP Niedersachsen durch eine
     flexible Mitgliedschaft ermöglicht werden. Durch eine Fördermitgliedschaft
     können ansonsten passive Mitglieder die Partei finanziell unterstützen. In
     einer Mitgliedschaft auf Zeit oder projektbezogenen Mitgliedschaft können
     Interessent:innen sich gezielt für einzelne Projekte oder zeitlich
     begrenzte Prozesse innerhalb der Partei engagieren. Expert:innen
     
    mitgliedschaften könnten der FDP Niedersachsen ermöglichen, gezielt externes Wissen und ideelle Unterstützung für die Partei zu gewinnen.
  •  Direkte & Virtuelle Landesmitgliedschaft: Durch eine gesteigerte Mobilität
     und flexiblere Lebensmodelle sind viele Menschen weniger ortsgebunden als
     früher und brauchen auch in ihrem parteipolitischen Engagement mehr
     Freiräume. Die FDP Niedersachsen könnte diesen Menschen zukünftig
     vereinfacht eine direkteMitgliedschaft beim Landesverband ermöglichen, ohne
     dass sie die Umwege über Orts-, Kreis- und Bezirksverbände nehmen müssen.
     Neben einer virtuellen Mitgliedschaft kann dies insbesondere in
     strukturschwachen Regionen Niedersachsens, in denen zum Teil keine oder nur
     schwach aufgestellte Untergliederungen existieren, Engagement ermöglichen
     und attraktiv machen.

 Erste Fehleranalyse des organisierten politischen Liberalismus in den letzten
 Jahren

 Aus niedersächsischer Sicht waren insbesondere – aber nicht ausschließlich –
 folgende Entscheidungen entscheidend für die Fehlentwicklung der FDP in den
 letzten Jahren:

  1.  Zielgruppen-Verengung

 In den letzten Jahren verfestigte sich der Eindruck der FDP als Klientelpartei,
 die ihre Ansprache nur an bestimmte Bevölkerungsgruppen richtet und gar nicht
 von einer breiten Bevölkerungsschicht gewählt werden möchte. Insbesondere
 folgende Personengruppen wurden zuletzt zu häufig außer Acht gelassen:

  •  Frauen: Die FDP schneidet bei Frauen schlechter ab, was inhaltlich und
     personell begründet ist. Inhaltlich durch ambivalente Positionen zu Themen
     wie § 218 StGB, Gleichberechtigung, insb. dem Selbstbestimmungsgesetz,
     Abgrenzung gegenüber der AfD (für ein patriarchalisches Gesellschaftsbild
     steht). Personell, weil – bis auf eine aus der Bundespolitik ausgeschiedene
     Strack-Zimmermann und die ehemalige Ministerin unscheinbare Stark-Watzinger
     – kaum Frauen in Spitzenpositionen vertreten sind. Dass die Partei sich
     hier nicht besser positionieren konnte, ist ein Armutszeugnis für politisch
     liberale Menschen und fatal für ihre Wahlergebnisse, nicht zuletzt, weil
     Frauen die Hälfte der Wahlberechtigten stellen.
  •  Ostdeutsche: Auch das wiederholt unterdurchschnittliche Ergebnis in den
     neuen Ländern lässt auf grundlegende Defizite schließen. Diese haben ihren
     Ursprung nicht nur, aber auch in geringer personeller Widerspiegelung der
     Zielgruppe und inhaltlicher Vernachlässigung derselben.
  •  Junge Menschen: Junge Menschen – eine Gruppe, die tendenziell eher liberal
     und weltoffen ist – konnten wir, trotz des für deutsche Verhältnisse jungen
     Personals, nicht von der FDP überzeugen. Die Entwicklung allein sozialen
     Medien zuzuschreiben, greift zu kurz, auch wenn die FDP dort
     zielgruppenorientierter auftreten sollte. Entscheidend ist, dass ihre
     Inhalte nicht die Lebensrealität junger Menschen widerspiegeln. Viele
     erkennen die Risiken hoher Schulden, doch ein starrer Fokus auf die
     Schuldenbremse überzeugt kaum, wenn Schulen und Universitäten marode sind.
     Das diesbezügliche FDP-Kernthema des “Aufstiegsversprechens” war im Zuge
     der letzten Bundestagswahl, anders als noch 2021, nahezu nicht präsent.
  •  Moderne, aufstiegsorientierte Bürger:innen: Nicht zuletzt hat es die FDP
     verpasst, die wachsende Gruppe der modernen, aufstiegsorientierten und
     international orientierten Menschen, welche meistens in den urbanen Zentren
     aufzufinden sind, anzusprechen. Stattdessen hat sich die FDP auf ein im
     Verhältnis zur deutschen Bevölkerung altes, konservatives, gefestig
     besserverdienendes, staats- und – vermutlich noch schädlicher –
     europaskeptisches Klientel eingestellt.

 Seit 2017 hätte die Partei all diese Gruppen als Wähler gewinnen können. Doch
 statt ein  inhaltliches Minimum bei Gleichberechtigung, internationaler
 Zusammenarbeit, Umweltbewusstsein, sozialem Frieden und  europäischer
 Ausrichtung zu etablieren, passte die FDP ihr inhaltliches Profil der Verengung
 der Zielgruppen an und trat einem Überbietungswettbewerb bei, in dem die
 Beschlusslage kaum noch berücksichtigt wurde.

  1.  Inhaltliche Verengung

 Dass die FDP - selbst über die erwähnten “Krisen-Milieus” hinaus - zunehmend als
 konturlos und monothematisch (“Die FDP als Partei der Schuldenbremse”)
 wahrgenommen wird, ist einer generellen inhaltlichen Verengung geschuldet. Diese
 liegt unter anderem, aber nicht nur, in folgenden Themen begründet:

  •  Umwelt- und Klimaschutz: Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen
     ist eine fundamentale Aufgabe unserer Zeit, und gleichzeitig eine, bei der
     die Liberalen historisch bereits unter dem ersten Umweltminister Hans-
     Dietrich Genscher eine entscheidende Rolle spielten. Insbesondere bei der
     Bekämpfung des Klimawandels bieten die Freien Demokraten mit einem
     strikten, umfassenden und möglichst globalen Emissionshandel eine
     überlegene und vielversprechende Lösung. Dessen Glaubwürdigkeit wird jedoch
     in Frage gestellt, wenn die FDP nicht mehr über ihn spricht, sondern nur
     noch über Abschwächungen bisheriger Umwelt- und Klimaschutzregulierung.
     Positionen wie eine Angleichung des deutschen Klimaziels 2045 an das EU-
     Ziel 2050 oder die Abschaffung des Umweltbundesamtes sind zwar
     nachvollziehbar und folgen einer antibürokratischen Begründung.
     Gleichzeitig erwecken diese den Eindruck, für die FDP sei Klimaschutz
     lästig und sie wolle diesen nur abschwächen, wenn nicht im Gegenzug auch
     über unsere alternativen Lösungsvorschläge für einen effektiveren
     Klimaschutz gesprochen wird.
  •  Wirtschaftspolitik: Die politische Ausrichtung konzentrierte sich zunehmend
     auf gefestigte Besserverdienende, während junge, aufstiegsorientierte
     Menschen und zukunftsträchtige Sektoren wie die Tech Branche vernachlässigt
     wurden. Diese Priorisierung verstärkte die Ungleichheit und sendete
     widersprüchliche Signale an eine breite Wählerschaft.
  •  Migrationspolitik: Die Unterscheidung zwischen Asyl und Migration wurde
     zunehmend verwischt, was zu einer intellektuellen Verdünnung der
     politischen Debatte führte. Diese Entwicklung erinnerte an die Union, die
     ebenfalls Schwierigkeiten hatte, klare Positionen zu vertreten und dadurch
     ihre Glaubwürdigkeit in der Migrationspolitik gefährdete.
  •  Sozialpolitik: Das Stigma der sozialen Kälte konnte nicht abgelegt werden.
     Diesbezügliche Erfolge der FDP innerhalb der Ampel-Regierung wurden nach
     dem Scheitern dieser kaum mehr hervorgehoben, beispielsweise die
     Veränderung der Zuverdienstregelungen innerhalb des Bürgergeldes oder die
     Anhebung der Minijobgrenze, sondern gingen innerhalb der Abgrenzung von der
     Ampel unter.
  •  Europapolitik: Innerhalb der Bundesregierung nahmen die Freien Demokraten
     häufig eine Rolle ein, in der sie sich gegen Vorschläge der Europäischen
     Union und der weiteren Mitgliedsländer stellten - sei es beim
     Lieferkettengesetz, bei den Importzöllen auf chinesische Autos oder beim
     Verbrenner-Aus. Wenngleich auch hier die inhaltliche Position richtig und
     nachvollziehbar ist, entstand gleichsam der Eindruck, die FDP sei ein
     Bremsklotz der Europäischen Union, ohne dabei nennenswert eigene Vorschläge
     für die Zukunft der EU zu liefern. Genau diese hätte eine dezidiert
     proeuropäische Partei wie die FDP allerdings laut kommunizieren sollen,
     insbesondere in ihren eigenen Ministerien innerhalb der Ampel-Regierung.
  •  Gesellschaftsliberale Themen: Die Selbstbestimmung queerer Menschen spielte
     im Wahlkampf kaum eine Rolle. Die Partei wirkte unsicher beim
     Selbstbestimmungsgesetz, obwohl es auf ihrer eigenen Beschlusslage beruhte.
     Diese inhaltliche Inkohärenz schwächte das gesellschaftsliberale Profil der
     FDP und sorgte stattdessen für widersprüchliche Signale.
  •  Digitalisierung: Bei der Bundestagswahl 2017 spielte das Thema der
     Digitalisierung eine hervorgehobene Rolle und festigte das Bild der Freien
     Demokraten als Partei der Modernisierung. Weder innerhalb der Ampel-
     Regierung noch im Anschluss spielte das Thema dann noch eine große Rolle,
     obwohl wir sogar den fachlich zuständigen Digitalminister stellten.
  •  Liberale Drogenpolitik: Während bei der Bundestagswahl 2021 viele junge
     Menschen die FDP bei der Frage nach einer weitgehenden Cannabis-
     Legalisierung unterstützen, spielte dieses Thema inklusive einer
     weitergehenden Liberalisierung sowie eine liberale Drogenpolitik im
     Allgemeinen bei dieser Bundestagswahl gar keine Rolle mehr.
  •  Zweitstimmenkampagne / Anbiederungswahlkampf an konservative Kräfte: Ein
     Wahlkampf, in dem man der sich explizit an konservative Kräfte annähert,
     ist kein Erfolgsrezept für eine liberale Partei, wie uns bereits die
     Wahlschlappe 2013 gezeigt hat. Stattdessen müssen wir uns auf das
     Erfolgsrezept von 2017 und 2021 zurückbesinnen: Liberale Werte und Inhalte.
  1.   Personelle Verengung

 Ein wesentlicher Grund für das schlechte Abschneiden der FDP war die starke
 Fokussierung auf eine Einzelperson. Selbst bei großzügiger Betrachtung der
 erweiterten Führungsspitze fällt die geringe Diversität auf, insbesondere in
 Bezug auf Frauen und Ostdeutsche. Im Einzelnen:

  •  Zentralisierung auf eine Person: Eine unpopuläre Spitzenfigur kann das
     Gesamterscheinungsbild der Partei negativ prägen. Durch die starke
     Konzentration an innerparteilicher Macht und der öffentlichen
     Berichterstattung auf eine Person können deren (schlechte)
     Persönlichkeitswerte nicht mehr durch die Leistungen anderer
     Parteimitglieder oder der Gesamtpartei zumindest teilkompensiert werden.
     Ein weiteres Problem stellt hierbei dar, dass, in Folge dieser Entwicklung,
     Partei und Führungsperson, meist der/die Parteivorsitzende, als Synonyme
     verstanden werden: Der/die Parteivorsitzende ist die Partei, die Partei ist
     der/die Parteivorsitzende.
     Daraus ergibt sich ein Folgeproblem: Die
     Sichtbarkeit anderer Parteimitglieder in der öffentlichen Wahrnehmung nimmt
     ab und deren häufig gute Arbeit wird kaum wahrgenommen und gewürdigt.
  •  Eklatante Lücke von Frauen in Führungspositionen: Abgesehen von Strack-
     Zimmermann und Stark-Watzinger gibt bzw. gab es kaum weibliche
     Spitzenpolitikerinnen in der FDP. Das ist für eine liberale Partei ein
     Armutszeugnis. Es zeichnet nicht nur ein Bild einer Partei mit
     patriarchalischen Strukturen und schreckt so grundsätzlich interessierte
     Frauen ab, es gilt leider auch oftmals: Dort, wo Frauen keine Politik
     machen, kommt Frauenpolitik zu kurz. In der Folge sind feministische,
     progressive Themen deutlich weniger im Vordergrund, als es sich für eine
     liberale Partei gehört, und Frauen weniger motiviert, sich in der Partei zu
     engagieren oder sie zu wählen.
  •  Mangelnde ostdeutsche Repräsentation: Die FDP als Partei hat es bislang
     kaum geschafft, ostdeutsche Politiker:innen in Spitzenpositionen zu
     bringen. Diese Lücke in der Repräsentation verstärkt den Eindruck, dass die
     FDP nicht ausreichend die Interessen Ostdeutschlands widerspiegelt. Dadurch
     fehlt es der Partei an der Fähigkeit, die unterschiedlichen Perspektiven
     und Bedürfnisse der Region in ihre politische Arbeit zu integrieren.
  •  Unterrepräsentation von Personen mit Migrationshintergrund: Ein weiterer
     bedeutender Aspekt der personellen Verengung ist die unzureichende
     Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund in der FDP. In einer
     zunehmend multikulturellen Gesellschaft wäre es entscheidend, die
     Perspektiven von Migrantinnen und Migranten stärker in die Parteiarbeit zu
     integrieren. Die mangelnde Sichtbarkeit von Personen mit
     Migrationshintergrund in der öffentlichen Wahrnehmung trägt dazu bei, dass
     sich diese Bevölkerungsgruppe weniger mit der FDP identifizieren kann. Ohne
     eine breitere Repräsentation dieser Vielfalt riskiert die Partei, wichtige
     gesellschaftliche Gruppen zu verlieren.