Christian Dürr: Die FDP ist eine Reformpartei
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab der Zeitung „Neue Westfälische” (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Carsten Heil und Ingo Kalischek.
Frage: Herr Dürr, Medienberichte haben aufgedeckt, dass die FDP den Bruch der Ampel seit September in mehreren Treffen geplant haben soll. Was ist Ihre Erklärung?
Dürr: Wir haben uns wie immer getroffen, um über die aktuelle Situation in Deutschland und der Koalition zu sprechen. Es war von Anfang an klar, dass es eine Wirtschaftswende braucht.
Frage: Ist denn dabei darüber gesprochen worden, wie man diese Koalition beenden kann?
Dürr: Es ging in den Gesprächen immer darum, etwas Besseres für Deutschland zu erreichen. Ich habe mich über manche Berichterstattung gewundert. Klar war doch, dass Deutschland eine Richtungsentscheidung in der Wirtschaftspolitik braucht. Für den Fall, dass das nicht gelingt, hatte Christian Lindner dem Kanzler ein geordnetes Ende der Koalition angeboten. Das hat Olaf Scholz bekanntermaßen abgelehnt.
Frage: Sind Sie sauer, dass aus diesen Treffen etwas nach draußen gedrungen ist?
Dürr: Klar, aber man darf auch nicht mit zweierlei Maß messen. Denn mittlerweile wissen wir, dass sich alle Koalitionspartner Gedanken über die Zukunft der Koalition gemacht haben. Der Fokus lag für uns immer darauf, eine Wirtschaftswende für unser Land zu erreichen. Nichtstun bei einer schrumpfenden Volkswirtschaft war keine Option.
Frage: Sie haben die 16 Jahre unter CDU-Kanzlerin Merkel wiederholt als ,Jahre des Stillstands’ bezeichnet. Und mit dieser Partei wollen Sie nun wieder regieren?
Dürr: Nach meinem Eindruck hat sich die CDU verändert. In den vergangenen zwölf Monaten stand bei ihnen das Thema ,wirtschaftlicher Erfolg’ wieder mehr im Mittelpunkt. Da stelle ich einen leicht veränderten Kurs fest.
Frage: Aber für CDU und FDP dürfte es nicht reichen…
Dürr: Umfragen sind Momentaufnahmen, entscheidend ist allein der Wahltag. Das Ziel muss sein, Mehrheiten zu bekommen, damit das Land wirtschaftlich erfolgreich wird. Wenn die Menschen sich daran orientieren, sind vielleicht auch Zweier-Konstellationen wieder möglich.
Frage: Wofür treten Sie an?
Dürr: Die FDP ist eine Reformpartei. Ziel ist es, dass Deutschland wieder in der wirtschaftlichen Spitzenliga spielt. Sonst werden wir international auch nicht mehr ernst genommen. Wir wollen die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen.
Frage: Sie reden viel über Wirtschaft. Vernachlässigt die FDP dabei nicht völlig den Klimaschutz?
Dürr: Nein, aber es ist zum Beispiel sehr sinnvoll, europaweit dieselben Klimaziele zu formulieren. Es bringt nichts, wenn ein Land schneller ist und andere nicht mitziehen. Das schafft man aber vor allem durch marktwirtschaftliche Antworten und nicht durch dirigistische Eingriffe und Schuldenprogramme. Der Staat soll das Ziel formulieren, aber nicht den Weg. Es ist gefährlich, Technologien zu verbieten; das sieht man beim Atomausstieg. Dadurch haben wir jetzt ein Problem. Anstatt Technologien zu verbieten, wollen wir sie erlauben – mit dem Ziel, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Man muss den Verbrennermotor nicht verbieten, wenn man ihn auch klimaneutral mit E-Fuels betreiben kann. Das Kerninstrument ist für uns der CO2-Emissionshandel, mit dem der CO2-Ausstoß konsequent und in ganz Europa reduziert wird.
Frage: Apropos Verkehr: Was für ein Verhältnis haben Sie inzwischen zu Volker Wissing?
Dürr: Ich bin mit mir im Reinen. Volker Wissing hat eine Entscheidung getroffen, die ich respektiere.
Frage: Und wie blicken Sie und Ihre Bundestagsfraktion auf Christian Lindner? Wird er erneut Spitzenkandidat?
Dürr: Natürlich. Christian Lindner zeichnet sich durch Geradlinigkeit in der Sache aus. Er hat als Finanzminister Enormes geleistet. Die Investitionsquote im Bundeshaushalt wurde unter ihm fast verdoppelt, die deutsche Verschuldung verringert. Was der Staat tun kann, hat er als Finanzminister ermöglicht.
Frage: Sehen Sie auch die Gefahr, dass ein heftiger Wahlkampf letztlich nur bei den extremen Rändern einzahlt?
Dürr: Es braucht ein Angebot an die Menschen, wo Deutschland hinwill. Dann sollte man im Wahlkampf auch nicht leise sein. Ich glaube, klare Angebote sind das beste Rezept, um die destruktiven Ränder wieder kleiner zu machen. Das Erstarken dort ist kein Phänomen der letzten zwei Jahre, sondern ein Problem der Großen Koalition gewesen. Die Menschen hatten das Gefühl, in der demokratischen Mitte laufen alle in dieselbe Richtung. Das ist nun vorbei. Die Unterschiedlichkeit der Angebote stärkt die demokratischen Parteien.
Frage: Welchen SPD-Kanzlerkandidaten wünschen Sie sich – Scholz oder Pistorius?
Dürr: Ich stelle fest, dass es in der SPD eine Kandidatendebatte gibt, aber ich mische mich da nicht ein. Das müssen die selbst entscheiden.