Imke Haake: Mangelnde Unterrichtsversorgung nachhaltig bekämpfen

Nach Jahren rot-schwarzer und rot-grüner Regierungen ist die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen stetig auf ein unbefriedigendes Niveau gesunken. Bildung, Aufstieg und der gesamte Lebensweg von Kindern dürfen nicht länger vom sozioökonomischen Hintergrund der Familien und vom Ausfall von Unterricht abhängig sein. Der Grundstock dafür ist eine ausreichende Unterrichtsversorgung an unseren Schulen.

Die chronisch schlechte Unterrichtsversorgung sorgt dafür, dass motivierte Lehrkräfte permanent an die Belastungsgrenze stoßen. Engagierte Lehrerinnen und Lehrer kompensieren durch ihren Einsatz viele Mängel im Bildungsbereich. Die Fakten sprechen für sich: Eine OECD-Studie, die jüngere Schülerinnen und Schüler befragt, zeigt, dass ich nur 10,4% der Schülerinnen und 3,8% der Schüler wünschen in Zukunft im Lehrerberuf zu arbeiten. (vgl. Tagesschau 2020) Wöchentlich entfallen in Niedersachsen ca. 36.000 Unterrichtsstunden. Allein im aktuellen Schuljahr 23/24 fehlen aktuell noch ca. 300 Lehrkräfte.

Um die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen wieder auf ein angemessenes Niveau zu bringen, benötigen wir kurzfristige, mittelfristige und langfristige Lösungen:

 

  1. Bedarfsgerechte Unterrichtsversorgung in der Fläche

Die Freiheitsgrade der Schulen müssen erhöht und den kreativen Lösungsideen von Schulleitungen und Lehrkräften mehr Raum gegeben werden. Dafür benötigen die Schulen ein Chancenbudget, welches für innovative Lehrmethoden oder zusätzliches Personal frei verwenden kann. Damit stärken die Liberalen die Schulautonomie und sorgen für mehr bedarfsgerechte Lösungen vor Ort. Es ist unbedingt sicherzustellen, dass diese Mittel unbürokratisch im Sinne der Schulen abgerufen werden können.

Um besonders eine Abwanderung von in Niedersachsen fertig ausgebildeten Lehrkräften in andere Länder zu vermeiden, muss das Land mehr Planstellen ausschreiben. Es muss sichergestellt sein, dass Schulen Stellen kapitalisieren können, um dieses Geld beispielsweise für die Einstellung von Vertretungslehrkräften oder pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu nutzen. Die Einstellungsverfahren müssen flexibilisiert werden und eine Überreglementierung der Ausschreibungsmodalitäten muss vermieden werden. Dadurch wird die Unterrichtsversorgung nachhaltig erhöht. Ein maßgeblicher und überfälliger Schritt dafür ist A13 für alle Lehrkräfte einzuführen. Funktionsstellen und Schulleitungsstellen müssen entsprechend honoriert werden, damit Niedersachsen mit den Nachbarbundesländern mithalten kann und eine Abwanderung in diese vermieden wird.

 

  1. Ineffiziente Strukturen im Bildungssystem beseitigen - Bürokratie abbauen

Dort wo akuter Lehrkräftemangel herrscht, muss er konsequent mit zeitnahen Ausschreibungen bekämpft werden. Das damit verbundene Ziel muss sein, dass Schulen vier Wochen vor Sommerferienstart die Personalplanung zufriedenstellend abschließen können.

Wir fordern die Kultusministerin Hamburg auf, ineffektive und redundante Verwaltungsstrukturen in den Regionalen Landesämtern für Schule und Bildung und dem Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) endlich zielgerichtet zu modernisieren und die zum Teil redundanten Strukturen abzubauen, um Effektivität zu steigern. Beispielsweise liegt die Zuständigkeit für die Berufliche Bildung im Fachbereich 34 des NLQ, die Fachberaterinnen und Fachberater der Unterrichtsfächer sowie die Fachberatung für Unterrichtsqualität unterstehen jedoch den Regionalen Landesämtern für Schule und Bildung.

Niedersachsen benötigt integrative Softwareprogramme, um Schulverwaltungsprozesse zu beschleunigen und zu optimieren. Eine smarte Verwaltung ist notwendig, um Fehlerquellen innerhalb der Statistik zu minimieren und somit die Unterrichtsversorgung klar zu definieren.

 

  1. Lehrerausbildung

Die gesamte Lehrerausbildung muss modernisiert und praxisnäher gestaltet werden. Die praxisferne Lehrerausbildung bleibt eine Dauerbaustelle in der Bildungspolitik. Digitalkompetenzen, die Chancen der Künstlichen Intelligenz für Lernprozesse und digitale Lehr- und Lernmethoden müssen feste Bestandteile der Lehrerausbildung werden. Um mehr Menschen aus anderen Studiengängen die Möglichkeiten in Richtung eines Lehramtsstudiums zu vereinfachen, schlagen wir vor den Quereinstieg im Studium einfacher zu gestalten. Ein berufsbegleitender Studiengang könnte Quereinsteiger passgenau qualifizieren.  Darüber hinaus muss die Auswertung der Masterarbeiten beschleunigt werden, um einen zügigeren Übergang der Absolventinnen und Absolventen in das daran anschließende Referendariat zu ermöglichen. So wollen wir vermeiden, dass Studierende über lange Zeit keine Rückmeldung erhalten oder sogar ihren Ergebnissen hinterherrennen müssen. Das Land muss die Studienplätze für das Lehramt zur Verfügung stellen und Referendare im Referendariat breiter unterstützen, so dass die Abbrecherquote verringert und zukünftig mehr Lehrerinnen und Lehrer motiviert in den Schuldienst übergehen.

 

  1. Attraktivität der Schulen

Der Ausbau von Schulsozialarbeit spielt für uns eine große Rolle. Daher muss das Land dringend die vorhandenen multiprofessionellen Teams unterstützen und ausbauen, damit die Attraktivität des Lehrerberufs erhöht wird. Die Schülerströme haben sich im System Schule verlagert, so dass Inhalte aus dem Studium nicht mehr der Realität entsprechen. Das wirkt teilweise demotivierend auf das Lehrpersonal.

Als weitere Maßnahme fordern wir die Stärkung der Berufsorientierung. Wir sind überzeugt, dass mit einer vermehrten Berufsorientierung dem Fachkräftemangel gezielter entgegnet werden könnte. Außerschulische Partner könnten insbesondere im Nachmittagsunterricht einen wesentlichen Beitrag dazu leisten und durch die Kontakte Impulse und Visionen für deinen Übergang Schule- Beruf geben.

Ab dem Jahr 2026 gibt es einen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Seit zwei Jahren sind die Länder schon aufgefordert, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, um den Kommunen Planungssicherheit zu geben. Selbst der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund mahnt die schleppende Umsetzung des Ganztagsanspruchs an. Deshalb muss die Landesregierung endlich einen Fahrplan erstellen, wie der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz ab 2026 realisiert werden soll. Besonders nach der Corona-Pandemie haben es die Familien und besonders ihre Kinder verdient, dass das Land seinem Bildungsauftrag entsprechend nachkommt. Außerschulische Partner vor Ort sind bei der Umsetzung einzubeziehen. Dafür bedarf es auf allen Ebenen eine Planungssicherheit.

 

  1. „Niedersächsischer Weg Unterrichtsversorgung“

Sowohl die rot-schwarze als auch die rot-grüne Landesregierung haben die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen sukzessive abgebaut. Niedersachsen benötigt jetzt eine Bildungsoffensive, um die Unterrichtsversorgung wieder auf ein angemessenes Niveau zu katapultieren. Unabhängig von Wahlen und Regierungen braucht unser Bundesland nachhaltige Zielvereinbarungen für 2025, 2030 und 2040, die parteiübergreifend eingehalten werden. Diese Maßnahmen müssen gemeinsam parteiübergreifend mit Vertretern der Bildungsverbände und aus Wirtschaft definiert und umgesetzt werden. (analog Niedersächsischer Weg Landwirtschaft). Schülerinnen und Schüler, Eltern, Familien, Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen sowie die Wirtschaft warten auf pragmatische und zukunftsorientierte Lösungen, die für eine bessere Unterrichtsversorgung im Land sorgt. Wir haben keine Zeit. Wir müssen jetzt handeln!